Industrie 5.0 ist aktuell noch nicht sinnvoll: "Die Daten werden noch nicht optimal genutzt".

Das Bild zeigt eine Person die an einem Futuristischem Hologram arbeitet In unserem vorangegangenen Artikel zum Thema Industrie 4.0 hatten wir bereits die Möglichkeit angesprochen, das Roboter uns bald die Arbeit abnehmen könnten. Das hochwertige Bauteile, wie zum Beispiel Steckverbinder und Industriestecker, welche wir in unserem Sortiment führen ebenfalls eine wichtige Rolle bei der Industrie 4.0 spielen, steht außer Frage. In diesem Artikel geht Dr. Harald Schöning auf die Fragen ein, wie es um die Industrie 5.0 steht. 

Dr. Harald Schöning, Forschungsbeirat Industrie 4.0 / Software AG: "Die Monetarisierung von Daten hat bisher deutlich weniger Reife erreicht als die Nutzung."

Was ist von der Vision Industrie 4.0 bereits erreicht, was ist noch zu tun, und hat die konkrete Umsetzung von Industrie 5.0 bereits begonnen? Diese und ähnliche Fragen hat Dr. Harald Schöning beantwortet.

Dr. Harald Schöning ist seines Zeichens Sprecher des Forschungsbeirats Industrie 4.0 und Vice President Research im Bereich der öffentlich geförderten Forschungsprojekte der Software AG und beantwortet hierauf die wichtigsten Fragen.

Auf die Frage, inwieweit das Projekt Industrie 4.0 in produzierenden Unternehmen bereits fortgeschritten sei, antwortet Dr. Harald Schöning wie folgt.

Die Umsetzung sei in großen Unternehmen der Fertigungsindustrie oft bereits sehr weit fortgeschritten. Die Basisinfrastruktur mit entsprechender Sensorik und Vernetzung wäre geschaffen, die dadurch vorliegenden Daten würden bereits auf verschiedenste Arten genutzt. Dabei unterstützten kollaborative Roboter die Mitarbeiter auf eine völlig neue Art und Weise. Intelligente Assistenzsysteme würden mit Hilfe von Augmented Reality den Mitarbeitern helfen. Man spreche hier bereits vom industriellen Metaverse. Völlig neue Wege zur Reduzierung des Energieverbrauchs und des CO2-Fußabdrucks täten sich auf, künstliche Intelligenz helfe, Rohstoffe effizient zu nutzen, und es würden neue und nachhaltige Geschäftsmodelle möglich - so Dr. Schöning.

Ungeachtet aller Fortschritte bleibe jedoch noch viel Potenzial ungenutzt, insbesondere in Bezug auf den so oft zitierten Mittelstand. Einerseits müsse man die Anwendungen von Industrie 4.0 einem breiteren Publikum zugänglich machen und auch in Kleinbetrieben einsetzen. Für sie muss der wirtschaftliche Nutzen in Form von geringeren Kosten und/oder Mehrumsatz klar und deutlich spürbar sein. Es gäbe viele Kompetenzzentren in Deutschland, die hier beratend und unterstützend tätig werden könnten; zudem sind nach Ansicht von Dr. Schöning Beratungsgutscheine oder die im Koalitionsvertrag angekündigten Superabschreibungen effektive Instrumente, um die großflächige Umstellung auf Industrie 4.0 weiter zu beschleunigen.

Wichtig sei aber sicherlich auch die Vorbildfunktion von Vorreitern und Marktbegleitern. Durch die zunehmende Bedeutung von Nachhaltigkeit auch für die Unternehmensbewertung gibt es einen zusätzlichen wirtschaftlichen Anreiz für Unternehmen, ihren CO2 Ausstoß mit Hilfe von Industrie 4.0 zu reduzieren. Andererseits müsse jetzt aber auch die Vernetzung der Unternehmen untereinander weiter ausgebaut werden.

Auf die Frage, warum diese Vernetzung nicht schon weiter fortgeschritten sei, hat Dr. Schöning einen klaren Gedanken. Denn obgleich in Industrie 4.0 von Beginn an die horizontale Integration von Unternehmen in Wertschöpfungsnetzwerken vorgesehen war, sind die entsprechenden Voraussetzungen in den Unternehmen erst jetzt geschaffen. Es gibt erste Beispiele aus der Industrie, die aktiv durch das BMWK unterstützt werden, z. B. Catena-X in der Automobilindustrie oder Manufacturing-X im verarbeitenden Gewerbe. Eine derartige Vernetzung biete auch neue Chancen für mehr Nachhaltigkeit, insbesondere für die Kreislaufwirtschaft.

Mit einem digitalen Produktpass und der Transparenz über den gesamten Lebenszyklus eines Produkts, könne hier durch genaue Informationen über die verwendeten Bauteile bzw. Materialien bzw. Anleitungen zum Zerlegen nicht nur eine ganz neue Qualität der Rohstoffrückgewinnung erreicht werden, sondern es könne auch zu einer höherwertigen Zweitnutzung führen, z. B. konkret in Form von Upcycling, Refurbishing, Remanufacturing, Wiederverwendung oder sogar Second Life.

Letztlich habe auch die Belastbarkeit und Resistenz der Industrie in Krisen aller Art eine besondere Bedeutung erlangt, wie auch aus einigen Stellungnahmen des Forschungsbeirats Industrie 4.0 hervorginge, so Dr. Schöning weiter. Das Potential von Industrie 4.0 müsse in dieser Hinsicht verstärkt genutzt werden, auch zur Verringerung etwaiger Abhängigkeiten von globalen Lieferketten.

Auf die Frage, was es heute schon nütze über Industrie 5.0 nachzudenken oder was Industrie 5.0 als Nachfolger von Industrie 4.0 bedeute, antwortete Dr. Harald Schöning ausführlich und zeigt ein Missverständnis auf.

Auf europäischer-Seite wurde der Term "Industrie 5.0" eingeführt. Dabei geht es darum, dem Faktor Mensch eine zentrale Rolle im Produktionsprozess zuzuweisen und das menschliche Wohlbefinden, Nachhaltigkeit und Resilienz stärker zu betonen. Nach Dr. Schöning liegt hier jedoch das Missverständnis, denn dabei handelt es sich um Ziele, welche bereits vor zehn Jahren in einem der ersten White Paper zu Industrie 4.0 erwähnt wurden.  Die Plattform Industrie 4.0 hätte diese unter dem Titel "Nachhaltigkeit" ebenfalls zu einem der drei Leitmotive ihres Charters erhoben.

Einen neuen Begriff zu erfinden, ist seiner Meinung nach daher nicht nur überflüssig, sondern sogar kontraproduktiv, weil es zu Irritationen bei den Unternehmen führen könne, welche sich aktuell auf dem Weg zu Industrie 4.0 befänden. Abschließend hält Dr. Harald Schöning noch fest, dass möglicherweise Industrie 5.0 schlicht ein Beweis dafür sein kann, wie erfolgreich Unternehmen mit Industrie 4.0 sind, weshalb sich andere unter anderem Namen mit diesen Federn schmücken möchten.