Der unaufhaltsame Aufstieg des Industrieroboters in der mechanischen Fertigung

Bild zeigt 2 Steckverbinder Han Push-In von HartingEs ist bemerkenswert, wie weit wir technologisch vorangeschritten sind. Während Werkzeugmaschinen zweifellos führend sind, wenn es um Präzision geht, gewinnen Industrieroboter mit Hilfe künstlicher Intelligenz (KI) rapide an Fahrt. Früher wurden Industrieroboter hauptsächlich für Pick-and-Place- und Montagearbeiten eingesetzt, doch heutzutage sind sie aus der flexiblen Fertigung nicht mehr wegzudenken und beginnen zunehmend, die Rolle der Werkzeugmaschinen einzunehmen.

In diesem Artikel möchten wir aufzeigen, wie KI dabei hilft, die bisherigen Herausforderungen bei der Integration von Industrierobotern in spannenden oder umformenden Fertigungsprozessen zu bewältigen.
 

Der Charme der Industrieroboter: Vielseitigkeit und optimale Zugänglichkeit

Der Vorteil von Industrierobotern springt sofort ins Auge. Dank verbesserter Bewegungsachsen können sie jede erdenkliche Position und jeden Winkel erreichen. Ihre universellen Endeffektoren spielen gut mit allen möglichen Werkzeugen, seien es Fräser, Bohrer, Scanner oder Sägen. Somit können Industrieroboter immer komplexere Aufgaben erfüllen und komplizierte Teile aus einer Vielzahl von Materialien wie Holz, Kunststoff oder Metall herstellen.

Während der Arbeitsbereich einer CNC-Maschine auf wenige Meter begrenzt ist, kommen Industrieroboter auch an schwer erreichbare Bauteile. Dieser sprunghafte Wandel ist ein großer Vorteil, wenn es darum geht, auch bei kleinen Losgrößen und hoher Variantenvielfalt effizient und kostengünstig zu produzieren.
 

Achillesferse der Industrieroboter: geringe Steifigkeit 

Trotz allem können die vielseitigen Alleskönner, die Industrieroboter sind, die hohe Präzision einer Werkzeugmaschine nicht erreichen. Warum? Weil ein klassischer Industrieroboter - nehmen wir zum Beispiel den am häufigsten verwendeten sechsachsigen Knickarmroboter - nur eine vergleichsweise geringe Steifigkeit aufweist. Dies liegt hauptsächlich daran, dass die Roboterglieder eine sogenannte offene kinematische Kette bilden.

Bei Arbeiten, bei denen hohe Kräfte wie beim Fräsen oder Umformen einwirken, gibt die Roboterstruktur nach und die gewünschte Position wird nicht exakt angefahren. Diese resultierende Werkzeugabdrängung variiert je nach Anwendung, beeinflusst aber fast immer die Fertigungsgenauigkeit. Daher werden Roboter hauptsächlich dort eingesetzt, wo die hohe Genauigkeit einer Werkzeugmaschine nicht erforderlich ist.

Die Steigerung der Positioniergenauigkeit von Industrierobotern und die Erweiterung ihres Nutzungsspektrums haben in der Forschung schon lange Priorität. Doch mit der zunehmenden Vernetzung von Maschinen und der immer umfangreicheren Datenmenge rücken Methoden der Künstlichen Intelligenz, insbesondere des Supervised Learning, immer stärker in den Vordergrund.
 

KI und die Prognose von Werkzeugverdrängungen

Die Besonderheit des überwachten Lernens liegt darin, dass das KI-System auf der Grundlage eines Datensatzes trainiert wird, der bereits die korrekten Antworten enthält. Das Modell erhält sowohl die Eingangsdaten als auch die entsprechenden Ausgabedaten. Sobald der Algorithmus eine Korrelation zwischen diesen erkennt, können neue Inputdaten hinzugefügt werden, und die KI erzeugt daraufhin eine Prognose für die Ausgabedaten.

So kann ein KI-Modell, das zur Vorhersage von Werkzeugverdrängungen entwickelt wurde, die sechs Gelenkwinkel des Roboters sowie die Kraft- und Momentkomponenten am Werkzeug als Eingangsvariablen auf die Werkzeugverdrängung als Ausgangsvariable abbilden. Ein auf diese Weise trainiertes Modell kann zur Prognose von Werkzeugverdrängungen für unterschiedliche Aufgaben genutzt werden.
 

Praktische Anwendung: Effiziente Herstellung kleiner Mengen Blechteile

Wissenschaftler am IWF der TU Berlin haben zur Verifizierung dieser Trainingsmethode einen "inkrementellen Kragenziehprozess" mit einem Industrieroboter durchgeführt. Kragenziehen ist ein Druck- und Zugumformverfahren, das die Herstellung eines Flanschs aus vorgebohrten Blechen ermöglicht. Es spielt eine wichtige Rolle in der Produktionskette für eine Vielzahl von Blechteilen, beispielsweise in der Automobilindustrie.

Durch den inkrementellen Ansatz beim Kragenziehen können Kosten gesenkt und Prozesse flexibilisiert werden, da teure Umformwerkzeuge nicht mehr benötigt werden. Die Nutzung von Industrierobotern erhöht diese Flexibilität weiter und ermöglicht das Formen von Kragen in schwer erreichbaren Bereichen mit innovativen Techniken.
 

Erzeugung hochwertiger Daten

Da das Umformen hohe Kräfte erfordert, führt dies zu Werkzeugverdrängungen, die die Formgenauigkeit der Kragen beeinflussen. Um diese Verdrängungen mit Supervised Learning vorherzusagen, erzeugten die Forscher einen Trainingsdatensatz. Sie belasteten den Industrieroboter auf verschiedenen kreisförmigen Werkzeugpfaden mit einer Gasdruckfeder und erfassten dabei die Gelenkwinkel des Roboters ohne und mit Belastung an verschiedenen Punkten. Diese wurden jeweils mit einem Lasertracker gemessen. Insgesamt konnten so 352 Datenpunkte gewonnen werden.
 

Erfolgsgeschichte: Rundere Kragen

Das Ergebnis? Eine Verbesserung der Formgenauigkeit der Kragen um 75%, was einer Verringerung der maximalen Abweichung auf 0,6 mm gleichkommt. Gleichzeitig verringerten sich die Unterschiede zwischen dem kleinsten und größten gemessenen Kragendurchmesser, was zu einer höheren Rundheit der Kragen führte.

Die Forscher konnten eindrücklich aufzeigen, dass der Einsatz von KI Positionierungsfehler bei Industrierobotern kompensieren und die Produktqualität signifikant steigern kann. Die entwickelte Methode ist jedoch nicht auf das Kragenziehen beschränkt: Es wird bereits daran gearbeitet, unter Berücksichtigung weiterer Faktoren wie dynamischen Parametern und Temperaturen, Industrieroboter in der Zukunft für alle Arten von Anwendungen im Hochpräzisionsbereich einsetzbar zu machen.
 

Fazit

Industrieroboter sind aus der modernen Fertigung nicht mehr wegzudenken. Sie übernehmen immer mehr Aufgaben, die bisher von Werkzeugmaschinen erledigt wurden. Ihre Vielseitigkeit und optimale Zugänglichkeit machen sie zu einem entscheidenden Faktor für effiziente und kostengünstige Produktion. 

Die Herausforderung besteht jedoch darin, die Präzision dieser Roboter zu erhöhen, um auch hochgenaue Arbeiten ausführen zu können. Forscher arbeiten an verschiedenen Ansätzen, um diese Herausforderung zu bewältigen, und Künstliche Intelligenz spielt dabei eine immer wichtigere Rolle. Durch den Einsatz von KI und überwachtem Maschinellem Lernen können Vorhersagen zur Werkzeugabdrängung getroffen und somit die Genauigkeit und Qualität der Produkte verbessert werden.

Insgesamt sind Industrieroboter eine hochinteressante Technologie mit einem enormen Potential für die zukünftige Fertigung. Ihre volle Leistungsfähigkeit ist noch nicht ausgeschöpft und es wird spannend sein zu sehen, wie sie sich weiterentwickeln und welche neuen Anwendungen und Möglichkeiten sich dadurch eröffnen werden.